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19.12.2022

Mein Kompass sind die Menschrechte

Ahmad Salah erhält DAAD-Preis für sein herausragendes Engagement

Bilder von der Flucht von Ahmad Salah (links) und rechts bei der Preisverleihung in Reutlingen durch den Leiter des Reutlingen International Office, Baldur Veit, rechts der Dekan der Fakultät Informatik, Prof. Dr. Oliver Burgert.

Seine Geschichte liest sich wie ein Spiegelbild des Arabischen Frühlings in Syrien mit allen Facetten. 2011 engagiert sich Ahmad Salah für den Arabischen Frühling in seinem Heimatland Syrien, organisiert Demonstrationen und arbeitet als Sanitäter. Zwei Jahre später wird er durch einen Bombenanschlag verletzt, seine Freunde sterben. Nach den russischen Bombenangriffen 2015 flüchtet er nach Deutschland. Reutlingen wird zu seiner neuen Heimat. An der Hochschule in Reutlingen studiert er den Bachelorstudiengang Medien- und Kommunikationsinformatik und engagiert sich gleichzeitig für die Menschenrechte, organisiert eine Ausstellung über die Gründe, warum Menschen fliehen müssen. Er setzt sich für den gesellschaftlichen Dialog ein und startet ein Hilfsprojekt für Kinder in Syrien. Für dieses Engagement zeichnet ihn die Hochschule Reutlingen zum Semesterstart 2022 mit dem DAAD-Preis aus, der für das außergewöhnliche Engagement Studierender, die aus dem Ausland kommen, vergeben wird. Aktuell studiert Ahmad Salah an der Fakultät Informatik den Master Human-Centered Computing.

Mehr über Ahmad Salah, seinen Lebensweg und sein Engagement lesen Sie im nachfolgenden Interview.

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Interview mit Ahmad Salah

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Du kommst aus Syrien und bist 2015 nach Deutschland geflohen. Warum?

Als 2011 der arabische Frühling in Syrien begonnen hat, habe ich mich dort sofort engagiert. Ich habe zu dem Zeitpunkt auch mein Studium an der Universität in Damaskus angefangen. Uns ging es um Freiheit und Menschenrechte. Ich habe Demonstrationen organisiert und Videos gemacht, die ich dann an Nachrichten- und Presseagenturen weitergegeben habe, damit die Menschen von unserem Freiheitskampf erfahren.

 

Konntest du gleichzeitig noch weiter studieren?

Nein. Ich konnte nicht weiter studieren. Zum einen waren die Universitäten unter der Kontrolle des Assad Regimes. Zum anderen wurde der Kampf für die Freiheit immer gefährlicher. Es gab immer mehr Verletzte und Bombenangriffe auf die Demonstranten. Ich habe dann auch als Sanitäter gearbeitet.

Im Juni 2013 wurden wir zu einen Bombenanschlag gerufen um den Menschen dort zu helfen. Als wir als Sanitäter ankamen, explodierte eine zweite Bombe. Viele meiner Freunde sind gestoben und ich wurde verletzt und habe mein links Bein verloren.

Es war eine schwere Situation. Erst mal musste ich schauen, wie ich ohne Bein weiterleben kann. Ich habe im Internet recherchiert, wie man eine Prothese baut und mir Videos dazu angesehen. Gemeinsam mit einem Schuhmachen habe ich mir dann selbst eine Prothese für mein Bein gebaut.

 

Verliert man in so einer Situation den Mut sich weiter zu engagieren?

Den habe ich dadurch noch nicht verloren, sondern erst zwei Jahre später, 2015, als die ersten russischen Kampfflugzeuge uns in Damaskus bombardierten. Da hatte ich das Gefühl bekommen, dass wir den Kampf um die Freiheit im Land verloren haben. Ich war auch enttäuscht von der internationalen Gemeinschaft, die für uns kaum etwas getan hat. Es gab kein Embargo gegen Russland, wie heute im Rahmen des Ukraine Krieges. Es ist gut, dass heute die internationale Gemeinschaft dem Kreig in der Ukraine nicht mehr nur zusieht sondern auch handelt.

 

Was hast du gemacht?

Ich habe schweren Herzens das Land verlassen und bin in die Türkei geflüchtet. Ich erinnere mich noch sehr gut, wie ich an der Grenze stehe und einen letzten Blick auf mein Land werfe. Ich habe geweint und gewusst, dass ich nie wieder zurückgehen kann. In Syrien war ich zum Tode verurteilt und die Flucht war sehr gefährlich, denn wenn die syrische Polizei oder Armee mich geschnappt hätte, wäre ich sofort ermordet worden.

 

Warum bist du dann von der Türkei aus nach Deutschland gegangen?

Ich habe nach der Ankunft in der Türkei mit einem Freund Deutschland telefoniert. Er hat mir von Deutschland erzählt. Von der Freiheit und den Menschenrechten dort. Ich war erstaunt, dass es ein Land gibt, in dem Menschrechte etwas zählen. Das konnte ich mir fast nicht vorstellen.

In der Türkei konnte ich nicht bleiben und so bin ich dann drei Stunden mit einem Schlauchboot übers Mittelmeer nach Griechenland gefahren und auf Lesbos angekommen. Von dort habe ich es dann weiter bis nach Deutschland geschafft. Am 10. Dezember 2015, vor sieben Jahren bin ich dann in Deutschland angekommen und per Zufall in Reutlingen gelandet.

 

Wie war es am Anfang In Reutlingen?

Am Anfang hatte ich Angst, dass ich die Sprache nicht lerne und mich nicht in die deutsche Gesellschaft integrieren kann. Ich habe aber dann doch die Sprache sehr schnell gelernt und zum Glück eine Werbung für einen Orientierungskurs für studierfähige Geflüchtete an der Hochschule Reutlingen gesehen. So bin ich dann zur Hochschule Reutlingen gekommen und habe zuerst Medien- und Kommunikationsinformatik studiert und jetzt den Master Human-Centered Computing.

Die Unterstützung die ich hier in Reutlingen bekommen habe, werde ich nie vergessen. Klar muss man auch selbst wissen was man will, aber bei Problemen habe ich immer ein offenes Ohr gefunden, jemanden der mir hilft. So konnte ich studieren und mir hier ein Leben aufbauen.

 

Was studierst du?

Zunächst bin ich erst mal sehr dankbar, dass ich hier studieren kann. Denn die Hochschule hat mir die Möglichkeit geschaffen, dass ich mich engagieren und meine Ideen umzusetzen kann, auch in der Informatik. Zuerst habe ich den Bachelor Medien- und Kommunikationsinformatik studiert. Inzwischen mache ich meinen Master in Human-Centered Computing. Hier konnte ich zum Beispiel im Studium mit der Unterstützung der Fakultät Informatik eine App entwickeln, die es ermöglicht, dass Menschen auf der Flucht ihre medizinischen Daten in einer App speichern können, eine Art digitale Patientenakte. So können die Menschen, egal wo sie auf der Flucht sind, auf diese wichtigen medizinischen Informationen zurückgreifen, wenn sie behandelt werden müssen.

 

Möchtest du irgendwann wieder zurück nach Syrien.

Nein, ich kann nicht zurück auch weil ich dort zum Tode verurteilt bin. Reutlingen ist für mich zur Heimat geworden. Hier fühle ich mich zuhause. Ich habe daher auch die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen. Was ich jetzt möchte ist meinem Leben einen Sinn geben, mich engagieren in die deutsche Gesellschaft einbringen, Geflüchtete und Deutsche zusammenbringen und so verhindern, dass keine Parallel-Gesellschaften entstehen, die sich am Ende nichts zu sagen haben.

 

Wovon lässt du dich leiten bei diesem Engagement?

Mein Kompass sind die Menschrechte. Dafür setze ich mich ein. Egal ob es um Menschrechte in China, Ukraine, Syrien oder ein anderes Land geht. Krieg ist dabei mit das Schlimmste, was Menschen passieren kann. 2018 habe ich eine Fotoausstellung unter dem Titel organisiert, die eine einfache Frage aufwirft, die mir immer wieder gestellt wurde. „Warum bist du hier“.  Sie wurde in Tübingen, Lyon, Paris und Reutlingen gezeigt. im Jahr 2022 organisierte ich eine weitere Fotoausstellung im Rahmen von Peace 4 Ukraine in Backnang bei Stuttgart, wo ich Bilder von der Zerstörung in Syrien und der Ukraine zeigte, um die Botschaft zu vermitteln, dass Krieg überall sehr schlimm ist. Man kann die Folgen des Krieges sehen, die überall gleich sind. Es gibt keinen Unterschied zwischen den Bildern aus Syrien und heute in der Ukraine.

Ich habe in einem Workshop Jugendlichen Fotos vom Krieg in der Ukraine und in Syrien gezeigt, damit sie sehen, dass es keinen Unterschied macht. Krieg ist, egal wo er stattfindet immer schrecklich. Aktuell engagiere ich mich für ein Projekt in Syrien, dass in den Flüchtlingslagern Schulen für die Kinder entstehen. Sie sind die Opfer und ich möchte nicht, das sie am Ende eine verlorene Generation sind. In Deutschland setzte ich mich dafür ein, dass Geflüchtete und Deutsche nicht übereinander, sondern miteinander reden.

Matomo -->